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Geltungszeitraum von: 01.01.2005

Geltungszeitraum bis: 31.12.2013

Vorläufige Ordnung für die Visitation von
Kirchgemeinden und Kirchspielen

Vom 28. Oktober 2004

(ABl. ELKTh S. 184)

Der Landeskirchenrat erlässt gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 und 13 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und § 61 Abs. 3 des Pfarrergesetzes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands folgende
Vorläufige Ordnung für die Visitation von Kirchgemeinden und Kirchspielen (Vorl. Visitationsordnung):
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Präambel

Die Visitation ist als geordneter Besuchsdienst Aufgabe kirchenleitenden Handelns. Grundlegende Anliegen der Visitation sind die gegenseitige Beratung und geschwisterliche Ermutigung. Durch die Visitation soll deshalb die auftragsgemäße Verkündigung in der konkreten Situation der Gemeinde und angesichts der Herausforderungen der Zeit gestärkt werden. Sie will helfen, den bisherigen Weg und die Gestalt der Gemeinde in der Vielfalt ihrer Beziehungen und Lebensäußerungen als Teil der Kirche Jesu Christi bewusst wahrzunehmen, gemeinsam zu reflektieren und für den weiteren Weg zu orientieren.
Die Visitation hat auch das Ziel, Veränderungsprozesse in Gemeinden wahrzunehmen und zu begleiten und daraus Schlussfolgerungen für kirchenleitendes Handeln zu ziehen.
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§ 1
Geltungsbereich

( 1 ) Diese Verordnung gilt für die Visitation von Kirchgemeinden und Kirchspielen.
( 2 ) Für die Visitation von Superintendenturen gelten die Bestimmungen der Visitationsordnung vom 4. April 1969 (ABl. S. 142) fort. Regelungen für die Visitation von Einrichtungen und Werken bleiben vorbehalten.
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§ 2
Häufigkeit der Visitation

( 1 ) Die Kirchgemeinden einer Superintendentur werden regelmäßig visitiert. Die Visitation erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte zu einem Pfarramt gehörende Kirchspiel. In großen Kirchgemeinden kann die Visitation auf einzelne Sprengel und Seelsorgebezirke beschränkt werden.
( 2 ) Die Visitation umfasst das gesamte geistliche Leben und den äußeren Zustand der Kirchengemeinde oder des Kirchspiels. Daneben können Visitationen mit Schwerpunktsetzung stattfinden, die Teilgebiete des Lebens der Kirchgemeinde oder des Kirchspiels erfassen.
( 3 ) Unabhängig von dem vorgesehenen Visitationstermin kann jeder Gemeindekirchenrat eine Visitation beantragen. Einem solchen Antrag soll insbesondere dann entsprochen werden, wenn besondere Arbeitsvorhaben oder Einschnitte im Gemeindeleben gegeben sind. Abweichend von Absatz 1 kann die Visitation auf diese Kirchgemeinde beschränkt werden, wenn sich die Gemeindekirchenräte der anderen Kirchgemeinden des Kirchspiels dem Antrag auf Visitation nicht angeschlossen haben.
( 4 ) Bei Vorliegen besonderer Umstände kann das Kirchenamt im Benehmen mit dem Visitator eine außerordentliche Visitation anordnen.
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§ 3
Visitationsteam

( 1 ) Die Visitation wird von einem Visitationsteam durchgeführt. Dem Visitationsteam gehören an:
  1. der Visitator oder die Visitatorin des Aufsichtsbezirks, in dem die Kirchgemeinde liegt,
  2. der zuständige Superintendent oder die zuständige Superintendentin,
  3. der Vorstand des Kreiskirchenamtes,
  4. die für die Superintendentur ernannten Fachberater und -beraterinnen für Kirchenmusik und Katechetik und
  5. Mitglieder von Ausschüssen der Kreissynode.
( 2 ) Schwerpunktvisitationen werden vom Superintendenten oder von der Superintendentin und zwei weiteren Mitgliedern des Visitationsteams durchgeführt.
( 3 ) Das Visitationsteam kann weitere Sachverständige hinzuziehen.
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§ 4
Visitationsplanung

( 1 ) Zur Planung der Visitationen eines Aufsichtsbezirkes beruft der Visitator oder die Visitatorin spätestens im 3. Quartal eines jeden Kalenderjahres eine Planungskonferenz für das folgende Kalenderjahr ein, an der neben dem Visitator oder der Visitatorin der Vorstand des Kreiskirchenamtes und die Superintendenten und Superintendentinnen des Aufsichtsbezirkes teilnehmen. Die Planungskonferenz entscheidet im Benehmen mit den Vorständen der Kreissynoden, welche Kirchgemeinden oder Kirchspiele visitiert werden und stellt den Visitationsplan auf.
( 2 ) Der Visitationsplan ist dem Kirchenamt und den betroffenen Kirchgemeinden und Kirchspielen unverzüglich mitzuteilen.
( 3 ) In jeder Superintendentur sollen in jedem Kalenderjahr mindestens zwei Visitationen durchgeführt werden.
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§ 5
Ablauf der Visitation

( 1 ) Die Visitation gliedert sich in drei Phasen:
  1. die Vorbereitungsphase (§ 6),
  2. die Besuchsphase (§ 7),
  3. die Auswertungsphase (§ 8).
( 2 ) Zwischen dem Beginn der Vorbereitungsphase und dem Beginn der Besuchsphase soll ein Zeitraum von drei Monaten liegen.
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§ 6
Vorbereitungsphase

( 1 ) Die Vorbereitungsphase der Visitation wird durch den Visitator oder die Visitatorin in einer öffentlichen Sitzung des Gemeindekirchenrates, bei einem Kirchspiel in einer gemeinsamen öffentlichen Sitzung der Gemeindekirchenräte eröffnet. Die in der Kirchgemeinde oder im Kirchspiel entgeltlich und die unentgeltlich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen an der Sitzung teilnehmen.
( 2 ) Der Visitator oder die Visitatorin teilt die Zusammensetzung des Visitationsteams mit, erläutert das Anliegen der Visitation und übergibt den Fragebogen gemäß der Anlage zu dieser Ordnung, der dem Gemeindekirchenrat zur Vorbereitung der Visitation dienen soll. Der Fragebogen enthält Fragen zur Gemeinde und ihrem Umfeld, zum Leben der Gemeinde im Kirchspiel und zu den äußeren Verhältnissen des Kirchspiels.
( 3 ) Der Gemeindekirchenrat bearbeitet den Fragebogen unter Einbeziehung der entgeltlich und der unentgeltlich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Er formuliert Anliegen und Wünsche zu Inhalt und Ablauf der Visitation. Er kann vorschlagen, welche Sachverständigen zum Visitationsteam hinzugezogen werden sollen. Der bearbeitete Fragebogen mit den Vorschlägen des Gemeindekirchenrats ist dem Visitationsteam innerhalb von sechs Wochen nach der Aushändigung des Fragebogens zuzuleiten. In einem Kirchspiel wirken die Gemeindekirchenräte des Kirchspiels bei der Erledigung der Aufgaben nach den Sätzen 1 bis 4 zusammen.
( 4 ) Das Visitationsteam wertet unter der Leitung des Superintendenten oder der Superintendentin den bearbeiteten Fragebogen aus und legt auf dieser Grundlage die inhaltlichen Schwerpunkte und den Verlauf der Visitation fest. Es verteilt die Aufgaben innerhalb des Visitationsteams und vereinbart die notwendigen Termine.
( 5 ) Spätestens vier Wochen vor Beginn der Besuchsphase sind die betroffenen Kirchgemeinden durch das Pfarramt in geeigneter Form (Abkündigung, Gemeindeblatt, Aushänge) auf die Visitation und ihre Bedeutung hinzuweisen und zu den öffentlichen Veranstaltungen einzuladen.
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§ 7
Besuchsphase

( 1 ) Bestandteile der Besuchsphase sind:
  1. der Besuch eines Gemeindegottesdienstes,
  2. Besuche von Veranstaltungen und Einrichtungen der gemäß § 6 Abs. 4 festgelegten Schwerpunktbereiche,
  3. Besuche bei den zuständigen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen,
  4. die Visitation der äußeren Ordnung und Verwaltung,
  5. eine abschließende Sitzung des Gemeindekirchenrats bzw. der Gemeindekirchenräte.
( 2 ) Die Visitation der äußeren Ordnung und Verwaltung erstreckt sich auf die Kirchen und die anderen kircheneigenen Gebäude mit ihrem Inventar und Kunstgut, die Friedhöfe und die sonstigen kirchlichen Einrichtungen, die Prüfung der pfarramtlichen Geschäftsführung, das Schrift- und Archivgut sowie auf das Finanzwesen. Prüfungen der äußeren Ordnung und Verwaltung anlässlich einer Pfarramtsübergabe, welche nicht länger als zwei Jahre zurückliegen, können eingebracht werden und ersetzen insoweit die Visitation der äußeren Verhältnisse der Kirchgemeinde oder des Kirchspiels.
( 3 ) Im Rahmen der Besuchsphase sollen die Mitglieder des Visitationsteams Einzelgespräche insbesondere mit den Pfarrern und Pastorinnen, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Kirchgemeinde oder im Kirchspiel, den Vorsitzenden der Gemeindekirchenräte, Kirchenältesten oder anderen Gemeindegliedern führen.
( 4 ) Über die einzelnen Bestandteile der Visitation nach Absätzen 1 und 2 werden von den Mitgliedern des Visitationsteams Niederschriften gefertigt.
( 5 ) Die Besuche, Gespräche und Sitzungen erfolgen in engem zeitlichen Zusammenhang; die Besuchsphase soll nicht mehr als 14 Tage in Anspruch nehmen.
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§ 8
Auswertungsphase

( 1 ) Nach Abschluss der Besuchsphase sichtet das Visitationsteam die Ergebnisse und bereitet das Abschlussgespräch vor. Es erarbeitet dafür eine Vorlage, welche die Grundlage für das Abschlussprotokoll zur Visitation bildet.
( 2 ) Die Auswertungsphase schließt mit einem Abschlussgespräch unter Leitung des Visitators oder der Visitatorin, an welchem der Superintendent oder die Superintendentin, gegebenenfalls weitere Mitglieder des Visitationsteams und die beteiligten Gemeindekirchenräte teilnehmen. Im Abschlussgespräch wird ein Abschlussprotokoll festgestellt, in dem die Arbeit der Kirchgemeinde oder des Kirchspiels gewürdigt wird, kritische Punkte und Probleme benannt und Perspektiven aufgezeigt werden. Wesentlicher Bestandteil des Abschlussprotokolls ist die verbindliche Verabredung konkreter Maßnahmen und Vorhaben für die weitere Arbeit in der Kirchgemeinde oder im Kirchspiel. Das Abschlussprotokoll ist von den Vorsitzenden der beteiligten Gemeindekirchenräte und den anwesenden Mitgliedern des Visitationsteams zu unterzeichnen.
( 3 ) Das Abschlussprotokoll wird dem Kirchenamt, dem zuständigen Kreiskirchenamt und dem Vorstand der Kreissynode zugeleitet. Die getroffenen Verabredungen und weitere wesentliche Gesichtspunkte des Abschlussprotokolls sind den Gemeinden durch die Vorsitzenden der beteiligten Gemeindekirchenräte in geeigneter Form bekannt zu geben.
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§ 9
Abschluss der Visitation

Die Visitation wird mit einem gemeinsamen Gottesdienst der beteiligten Kirchgemeinden nach Möglichkeit unter Mitwirkung des Visitators oder der Visitatorin und des Superintendenten oder der Superintendentin abgeschlossen.
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§ 10
Nacharbeit zur Visitation

Ein Jahr nach Abschluss der Visitation findet eine Überprüfung der Umsetzung der im Abschlussprotokoll getroffenen Verabredungen statt. In der Regel lädt der Superintendent oder die Superintendentin dazu die beteiligten Gemeindekirchenräte zu einer gemeinsamen Sitzung ein. Gegebenenfalls werden weitere Maßnahmen vereinbart.
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§ 11
Auswertung im Kirchenkreis und auf landeskirchlicher Ebene

( 1 ) Der Superintendent oder die Superintendentin berichtet jährlich einmal vor der Kreissynode über die im Kirchenkreis durchgeführten Visitationen.
( 2 ) Zur Auswertung für landeskirchliche Aufgabenstellungen und Schwerpunktsetzungen berichten die Visitatoren und Visitatorinnen jeweils gegen Ende eines Jahres im Landeskirchenrat über die Erkenntnisse und Tendenzen der in diesem Jahr durchgeführten Visitationen
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§ 12
Schlussbestimmungen

( 1 ) Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Visitationsordnung vom 4. April 1969 (ABl. S. 142), soweit sie die Visitation von Kirchgemeinden und Kirchspielen betrifft, außer Kraft.
( 2 ) Die Erfahrungen mit dieser Verordnung sind durch die Visitatoren und die Visitatorinnen im Zusammenarbeit mit dem Kirchenamt bis zum 31. Dezember 2009 auszuwerten.
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Anlage:

Fragebogen zur Visitation gemäß § 6 Abs. 2.1#

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1 ↑ Hier nicht abgedruckt, s. Beilage zu Amtsblatt 2004 Nr. 12.