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Vereinbarung über die Wahrnehmung der
evangelischen Seelsorge und des berufsethischen
Unterrichts in der Polizei des Freistaats
Thüringen

Vom 8. Juni 1995

(ABl. EKKPS 1996 S. 113)

Zwischen dem Freistaat Thüringen
vertreten
durch den Thüringer Ministerpräsidenten,
dieser vertreten
durch den Thüringer Innenminister,
und
der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen,
vertreten durch den Landeskirchenrat
der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen,
vertreten durch die Kirchenleitung
der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck,
vertreten durch den Bischof
wird über die Wahrnehmung der evangelischen Seelsorge und des berufsethischen Unterrichts in der Polizei des Freistaats Thüringen folgende Vereinbarung geschlossen:
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Abschnitt I

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§ 1

Der Freistaat Thüringen gewährleistet den evangelischen Kirchen die Ausübung eines besonderen kirchlichen Dienstes an den Polizeibediensteten nach Maßgabe der nachstehenden Regelungen.
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§ 2

Der Dienst der Kirchen wendet sich an die in den Polizeibildungseinrichtungen und der Bereitschaftspolizei tätigen Polizeibediensteten und an die des polizeilichen Einzeldienstes, unbeschadet der Zuständigkeit des Ortspfarrers.
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§ 3

Mit der Wahrnehmung des Dienstes der Kirchen in der Polizei werden Pfarrer und Pastorinnen (im Folgenden Polizeipfarrer) betraut. Aufgaben des Polizeipfarrers können auch auf andere geeignete kirchliche Mitarbeiter übertragen werden. In Ausübung von kirchlicher Lehre und Seelsorge sind die mit dem Dienst an der Polizei Beauftragten an staatliche Weisungen nicht gebunden. Sie unterstehen der Dienstaufsicht der Kirchen und sind ausschließlich ihr für ihre Amtsführung verantwortlich.
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§ 4

Der Dienst der Kirchen umfasst Gottesdienste, Seelsorge, kirchliche Tagungen und religiöse Bildungsveranstaltungen (Abschnitt II).
Außerdem wirken sie im berufsethischen Unterricht mit (Abschnitt III).
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§ 5

Zur sachgerechten Wahrnehmung seines Dienstes wird dem Polizeipfarrer Gelegenheit geboten, den Dienst der Polizeibediensteten im Einsatz kennenzulernen, soweit dies aus dienstlichen und rechtlichen Gründen zu vertreten ist.
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Abschnitt II

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§ 6

( 1 ) Im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Religionsausübung unterstützt der Freistaat die Teilnahme der Polizeibediensteten an kirchlichen Tagungen und religiösen Bildungsveranstaltungen. Dazu gewährt er Sonderurlaub im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen.
( 2 ) Wenn die Kirchen besondere Gottesdienste und Sprechstunden für Polizeibedienstete anbieten, wird ihnen die Teilnahme durch Dienstbefreiung ermöglicht, soweit dienstliche Erfordernisse nicht entgegenstehen.
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§ 7

Dem Polizeipfarrer sind die zur Wahrnehmung seines Amtes erforderlichen Räume und sonstigen sächlichen Mittel im angemessenen Rahmen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
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§ 8

Die Kosten für die Polizeiseelsorge tragen die Kirchen, § 7 bleibt unberührt.
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Abschnitt III

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§ 9

Der Unterricht im Fach Berufsethik wird in der Zuständigkeit und Verantwortung des Freistaats erteilt.
Ziel des berufsethischen Unterrichts ist es, den Polizeivollzugsbeamten zu helfen, ethisch verantwortlich zu entscheiden. Der berufsethische Unterricht soll dazu durch die Schärfung des sittlichen Wertebewusstseins Einfluss auf die ethische Grundhaltung der Beamten nehmen und in ihnen den Willen stärken, die für gut erkannten sittlichen Maßstäbe ihrem Handeln im Beruf und Privatleben zugrunde zu legen.
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§ 10

( 1 ) Umfang und Inhalt des weltanschaulich neutral erteilten berufsethischen Unterrichts werden in den jeweiligen, vom Thüringer Innenministerium genehmigten Aus- und Fortbildungsplänen sowie dem Studienplan der Verwaltungsfachhochschule festgelegt. Fragen, die das religiös-kirchliche Leben betreffen, sind nicht im berufsethischen Unterricht, sondern in der Polizeiseelsorge zu behandeln. Vor Erstellung der Lehr- und Studienpläne sowie vor Änderungen erhalten die Kirchen die Gelegenheit zur Stellungnahme.
( 2 ) Den Lehrbeauftragten wird Freiheit bei der Gestaltung des Lehrstoffes eingeräumt.
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§ 11

( 1 ) Die Kirchen können für den berufsethischen Unterricht ihnen geeignet erscheinende Personen als Lehrbeauftragte vorschlagen.
( 2 ) Um eine möglichst enge Wechselbeziehung zwischen berufsethischem Unterricht und dem Polizeidienst herzustellen, erhält der Lehrbeauftragte die Gelegenheit, an Besprechungen über Aus- und Fortbildungsfragen an den Polizeibildungseinrichtungen und in der Bereitschaftspolizei teilzunehmen und sich zu den in sein Aufgabengebiet fallenden Fragen zu äußern.
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§ 12

Im Landeskriminalamt und im Polizeipräsidium einschließlich der nachgeordneten Dienststellen wird der berufsethische Unterricht für die Beamten der Schutz- und Kriminalpolizei im Rahmen der örtlichen Fortbildung erteilt; hierfür ist mindestens eine Stunde in jedem zweiten Monat vorzusehen.
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§ 13

Der Freistaat zahlt an die Lehrbeauftragten für den berufsethischen Unterricht die jeweils übliche Vergütung für nebenamtliche Lehrkräfte.
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Abschnitt IV

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§ 14

Die Vertragschließenden werden alle in Zukunft auftretenden Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung einer Bestimmung dieser Vereinbarung auf freundschaftliche Weise beseitigen.
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§ 15

Diese Vereinbarung tritt am Tage nach der Veröffentlichung im Staatsanzeiger für den Freistaat Thüringen in Kraft.