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Geltungszeitraum von: 17.05.1993

Geltungszeitraum bis: 31.12.2015

Vokationsordnung der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Thüringen

Vom 11. Mai 1993

(ABl. ELKTh S. 115)

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§ 1
Allgemeines

( 1 ) In den Superintendenturen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen wird sich die Einführung und Gestaltung des Evangelischen Religionsunterrichts je nach den kirchlichen und schulischen Gegebenheiten unterschiedlich entwickeln.
( 2 ) Der evangelische Religionsunterricht wird gemäß Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland erteilt.
Daraus ergibt sich, dass der evangelische Religionsunterricht im Bereich der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen nach deren Grundsätzen und von deren Beauftragten erteilt wird.
( 3 ) Die Beauftragung zur Erteilung von evangelischem Religionsunterricht setzt die Vokation (kirchliche Unterrichtserlaubnis) voraus.
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§ 2
Vokation

( 1 ) Die Vokation begründet ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Lehrkräften, die im Religionsunterricht tätig sind, und den Verantwortlichen der Kirche. Gemeinsam muss nach angemessenen Wegen des Lehrens und Lernens gesucht werden.
( 2 ) Die Ev.-Luth. Kirche in Thüringen verpflichtet sich mit der Vokation, die im Religionsunterricht tätigen Lehrkräfte durch begleitende Fortbildungsangebote, durch das Angebot von persönlicher Begleitung und Beratung und durch die Bereitstellung von Unterrichtshilfen zu unterstützen.
( 3 ) Die durch die Vokation beauftragten Lehrkräfte verpflichten sich, Lehraufträge im evangelischen Religionsunterricht zu übernehmen und sie nach den Grundsätzen der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen nach den amtlichen Lehrplänen zu erteilen.
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§ 3
Voraussetzungen der Vokation

( 1 ) Eine Vokation können Lehrkräfte erhalten, die
  1. der evangelischen Kirche angehören
  2. die dafür erforderliche Ausbildung bzw. Weiterbildung abgeschlossen haben
  3. bereit sind, die mit der Wahrnehmung eines Lehrauftrages im evangelischen Religionsunterricht verbundene Verpflichtungen zu übernehmen (vgl. § 2, Abs. 3).
( 2 ) Mitglieder anderer Kirchen, die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehören, können eine kirchliche Unterrichtserlaubnis (Vokation) erhalten, wenn ihre Kirche zustimmt, die Voraussetzungen nach Abs. 1 b und c gegeben sind und die sich verpflichten, sich jeglicher Sonderlehren zu enthalten.
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§ 4
Erteilung der Vokation

Die Vokation wird nach Abschluss der erforderlichen Ausbildung bzw. Weiterbildung auf Antrag durch den Landeskirchenrat oder ein von ihm beauftragtes Mitglied erteilt. Über die Erteilung der Vokation wird eine Urkunde ausgestellt. Sie wird in der Regel in einem Gottesdienst überreicht.
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§ 5
Beendigung der Vokation

Die Vokation verliert ihre Gültigkeit,
  1. wenn sie durch die Lehrkräfte zurückgegeben wird;
  2. wenn nach Feststellung des Landeskirchenrates die Voraussetzungen für die Erteilung von Evangelischem Religionsunterricht nicht mehr gegeben sind (vgl. § 3);
  3. wenn sie durch den Landeskirchenrat widerrufen wird.
( 2 ) Die Vokation kann widerrufen werden, wenn die Pflichten, die sich aus der Beauftragung ergeben, in erheblicher und nachhaltiger Weise verletzt werden.
( 3 ) Bevor der Landeskirchenrat eine Entscheidung nach § 5 Abs. 1 b) und c) trifft, erhält die betreffende Lehrkraft Gelegenheit der Stellungnahme. Die getroffene Entscheidung ist der Lehrkraft schriftlich mitzuteilen.
Die Vokationsurkunde ist zurückzugeben.
( 4 ) Gegen eine Entscheidung des Landeskirchenrates nach § 5, Abs. 1 b) und c) ist Einspruch an den Landeskirchenrat möglich. Dieser entscheidet endgültig.
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§ 6
Vorläufige kirchliche Unterrichtserlaubnis

( 1 ) Lehrkräfte, die die Voraussetzung nach § 3, Abs. 1 a) und b) bzw. Abs. 2 erfüllen, können für eine begrenzte Zeit – in der Zeit zwischen Erster und Zweiter Staatsprüfung – eine vorläufige kirchliche Unterrichtserlaubnis erhalten.
( 2 ) Lehrkräfte, die in einem kirchlichen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen und ordiniert bzw. eingesegnet sind, erhalten bis zum Abschluss der Fortbildung eine vorläufige kirchliche Unterrichtserlaubnis.
( 3 ) Für die Beendigung der vorläufigen kirchlichen Unterrichtserlaubnis gilt § 5 entsprechend.
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§ 7
Ausführungsbestimmungen

Nähere Bestimmungen zur Ausführung dieser Verordnung erlässt der Landeskirchenrat.
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§ 8
Inkrafttreten

Die Vokationsordnung tritt am 17. Mai 1993 in Kraft.
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Ausführungsbestimmungen

Zu § 1:
Grundsätze:
Abs. 2 Der Rat der EKD hat dazu 1971 eine Stellungnahme abgegeben:
In der heutigen theologischen und kirchlichen Sicht ist das Verständnis des christlichen Glaubens durch folgende Grundsätze gekennzeichnet:
  1. Die Vermittlung des christlichen Glaubens ist grundlegend bestimmt durch das biblische Zeugnis von Jesus Christus unter Beachtung der Wirkungsgeschichte dieses Zeugnisses.
  2. Glaubensaussagen und Bekenntnisse sind in ihrem geschichtlichen Zusammenhang zu verstehen und in jeder Gegenwart einer erneuten Auslegung bedürftig.
  3. Die Vermittlung des christlichen Glaubens muss den Zusammenhang mit dem Zeugnis und Dienst der Kirche wahren.
Die Bindung an das biblische Zeugnis von Jesus Christus schließt nach evangelischem Verständnis ein, dass der Lehrer die Auslegung und Vermittlung der Glaubensinhalte auf wissenschaftlicher Grundlage und in Freiheit des Gewissens vornimmt.
Die »Grundsätze der Religionsgemeinschaften« schließen in der gegenwärtigen Situation die Forderung ein, sich mit den verschiedenen geschichtlichen Formen des christlichen Glaubens (Kirchen, Denominationen, Bekenntnisse) zu befassen, um den eigenen Standpunkt und die eigene Auffassung zu überprüfen, um Andersdenkende zu verstehen und um zu größerer Gemeinsamkeit zu gelangen. Entsprechendes gilt für die Auseinandersetzung mit nicht christlichen Religionen und nicht religiösen Überzeugungen.
Das theologische Verständnis der »Grundsätze der Religionsgemeinschaften« korrespondiert mit einer pädagogischen Gestaltung des Unterrichts, der zugleich die Fähigkeit zur Interpretation vermittelt und den Dialog und die Zusammenarbeit einübt.
zu § 2:
Abs. 1 Die im Religionsunterricht tätigen Lehrer und Lehrerinnen halten vor allem engen Kontakt mit dem für sie zuständigen Schulbeauftragten.
Abs. 2 Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen hat dafür ein Pädagogisch-Theologisches Zentrum eingerichtet, das vor allem für die Fort- und Weiterbildung verantwortlich ist.
zu § 3:
Abs. 1 a) Die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche schließt eine Beteiligung am Gemeindeleben ein. Zur Erteilung der Vokation soll ein pfarramtliches Zeugnis vorgelegt werden.
Abs. 2 Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen wird mit den in Frage kommenden Kirchen Vereinbarungen abschließen.