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Verordnung über die kirchliche Archivpflege in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (ArchivpflegeVO)

Vom 27. Februar 2016

(ABl. S. 70)

Der Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland hat aufgrund von Artikel 82 Absatz 1 der Verfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Kirchenverfassung EKM – KVerfEKM) vom 5. Juli 2008 (ABl. S. 183), § 13 des Archivgesetzes der Evangelischen Kirche der Union (Archivgesetz – ArchG) vom 6. Mai 2000 (ABl. EKKPS S. 135) und § 2 Absatz 1 des Kirchengesetzes zur Anwendung und Ausführung des Archivgesetzes der Evangelischen Kirche der Union (Anwendungsgesetz zum Archivgesetz der EKU – ArchGAG) vom 19. November 2011 (ABl. S. 314) folgende Verordnung erlassen.
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I. Allgemeine Bestimmungen

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§ 1
Geltungsbereich

Diese Verordnung gilt für alle kirchlichen Stellen im Sinne von § 1 Archivgesetz, die kirchliches Archivgut im Sinne von § 2 Archivgesetz verwalten (im Folgenden: Archivträger).
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§ 2
Archivpflege

( 1 ) Die Archivträger haben gemäß § 3 Archivgesetz die Aufgabe, das Archivgut in ihrem Zuständigkeitsbereich
  1. festzustellen, zu erfassen, zu bewerten und aufzunehmen,
  2. auf Dauer zu verwahren, zu sichern und zu erhalten sowie
  3. zu erschließen, nutzbar zu machen, für die Benutzung bereitzustellen und auszuwerten.
( 2 ) Die landeskirchlichen Archive nehmen die Aufgabe der landeskirchlichen Archivpflege wahr. Sie beraten die Archivträger bei fachlichen Fragen.
( 3 ) Die Kirchenkreise unterstützen in Abstimmung mit den landeskirchlichen Archiven die Archivträger in ihrem Bereich bei der ordnungsgemäßen Verwaltung und Aufbewahrung ihres Archivguts. Dies geschieht insbesondere durch vom Kirchenkreis bestellte Archivpfleger.
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II. Verwaltung und Unterbringung von Archivgut

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§ 3
Ordnung und Verzeichnung von Archivgut

( 1 ) Ordnungsarbeiten in den kirchlichen Archiven sind erst nach fachlicher Einführung der Beteiligten durch die Archivpfleger oder die landeskirchlichen Archive durchzuführen. Das Archivgut ist in Absprache mit dem zuständigen landeskirchlichen Archiv zu ordnen und zu verzeichnen.
( 2 ) Archivalien fremder Herkunft (Provenienz) sind auszusondern und getrennt zu verwahren. Über die Zuordnung fremder Provenienzen entscheidet das zuständige landeskirchliche Archiv.
( 3 ) Verwahrt ein Archiv das Archivgut verschiedener Archivträger, so ist es getrennt nach den Beständen (Provenienzen) zu verzeichnen und zu lagern. Die Bestimmungen der Archivverwaltungsstrukturverordnung zum Umgang mit Schrift- und Archivgut im Zusammenhang mit der Umgliederung kirchlicher Körperschaften sind zu beachten.
( 4 ) Befindet sich Archivgut auf maschinenlesbaren Informations- und Datenträgern, sind in Absprache mit dem zuständigen landeskirchlichen Archiv besondere Vorkehrungen zu treffen.
( 5 ) Das Ergebnis der Ordnung und Verzeichnung ist in einem Findbuch niederzulegen, das neben dem Verzeichnis der Archivalien auch Auskunft über Art und Umfang der durchgeführten Arbeiten insbesondere über Archivalienverluste und die Kassation von Schriftgut gibt. Das zuständige landeskirchliche Archiv erhält ein Zweitexemplar.
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§ 4
Grundsätze der Bestandserhaltung

( 1 ) Das Archivgut ist in säurefreien Archivmappen und -kartonagen aufzubewahren, zu reinigen und zu entmetallisieren.
( 2 ) Von Mikroorganismen befallene Archivalien oder Bücher sind unverzüglich von den übrigen Beständen zu trennen und für die Benutzung zu sperren. Der zuständige Archivpfleger oder das zuständige landeskirchliche Archiv sind zu informieren.
( 3 ) Dauerarbeitsplätze, der Verzehr von Lebensmitteln, Rauchen, der Umgang mit offenem Feuer und der Betrieb nicht überprüfter Elektrogeräte sind in Räumen, in denen Archivgut gelagert ist, nicht zulässig.
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§ 5
Unterbringung von Archivgut

( 1 ) Archivgut muss in kirchlich genutzten Gebäuden untergebracht sein. Die Verwahrung von Archivgut in nicht regelmäßig genutzten Gebäuden ist unzulässig.
( 2 ) Es ist in gesonderten Archivräumen unterzubringen, die dazu geeignet sind, dieses hinreichend vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen. Solange ausnahmsweise kein gesonderter Raum für das Archivgut vorhanden ist, ist es in verschließbaren Schränken getrennt von anderen Unterlagen und Objekten aufzubewahren.
( 3 ) Das Archivgut ist vor Diebstahl zu schützen. Archivräume sind ständig verschlossen zu halten. Der Zutritt zu den Archivräumen ist auf das notwendige Maß zu beschränken. Archivbenutzern ist der Zugang untersagt, sonstigen Dritten nur unter ständiger Kontrolle zu gewähren.
( 4 ) Die Umlagerung von Archivgut in andere Gebäude ist wegen der damit verbundenen Gefährdung nur in Ausnahmefällen zulässig und bedarf der vorherigen kirchenaufsichtlichen Genehmigung des zuständigen landeskirchlichen Archivs. Bei Gefahr im Verzug ist dieses umgehend zu informieren.
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§ 6
Klima in Archivräumen

( 1 ) In Archivräumen sind erhebliche Schwankungen der Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur zu vermeiden. Folgende klimatische Richtwerte dürfen nicht dauerhaft überschritten werden:
  1. für Papier, Pergament und Leder eine Raumtemperatur von 19 Grad Celsius sowie eine relative Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent,
  2. bei bereits schimmelgeschädigtem Archivgut 17 Grad Celsius und 50 Prozent relative Luftfeuchtigkeit.
( 2 ) Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur sind durch kombinierte Temperatur- und Feuchtigkeitsmessgeräte regelmäßig zu kontrollieren.
( 3 ) Das Nähere zu den baulichen und klimatischen Anforderungen an Archivräume ist in der Anlage geregelt. Die landeskirchlichen Archive können die Anlage an den jeweiligen Stand der Technik anpassen.
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§ 7
Beseitigung von Missständen und Verpflichtung zur Deponierung

( 1 ) Die Archivträger sind verpflichtet,
  1. ihre Archivräume regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, auf die Einhaltung der fachlichen Anforderungen zu überprüfen,
  2. Bauschäden und Gefahrenquellen unverzüglich zu beseitigen,
  3. bei Schimmelbefall unverzüglich geeignete Gegenmaßnahmen in Absprache mit dem Archivpfleger oder dem zuständigen landeskirchlichen Archiv einzuleiten.
( 2 ) Werden durch das zuständige landeskirchliche Archiv oder den Archivpfleger erhebliche Missstände festgestellt, so sind diese spätestens innerhalb eines Jahres zu beseitigen.
( 3 ) Die Kreiskirchenämter, die Archivpfleger und die landeskirchlichen Archive unterrichten sich gegenseitig über Bauschäden im Zusammenhang mit den Lagerorten von Archivgut.
( 4 ) Kann ein Archivträger keine geeigneten Archivräume nachweisen oder konkret in Aussicht stellen oder erhebliche Missstände nicht innerhalb eines Jahres beseitigen, so ist eine Deponierung bei einem anderen Archivträger im Geltungsbereich des Archivgesetzes vorzunehmen.
( 5 ) Die Deponierung von Archivgut bei einem anderen Archivträger ist gemäß § 3 Absatz 1 Archivgesetz durch einen Depositalvertrag abzusichern, der der kirchenaufsichtlichen Genehmigung durch das zuständige landeskirchliche Archiv bedarf. Es sollen nur komplette Bestände abgegeben werden, um eine willkürliche Zersplitterung des Archivguts zu verhindern.
( 6 ) Fasst ein Archivträger innerhalb eines Jahres keinen Beschluss zur Beseitigung der Missstände oder zur Deponierung an anderer Stelle, kann das zuständige landeskirchliche Archiv die vorübergehende anderweitige Unterbringung des gefährdeten Archivbestandes anordnen.
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§ 8
Historische Bibliotheksbestände

Die Vorschriften der §§ 4 bis 7 gelten entsprechend für historische Buchbestände und Notensammlungen aus der Zeit vor 1850.
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III. Archivpfleger

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§ 9
Bestellung von Archivpflegern

( 1 ) Jeder Kirchenkreis bestellt zur Unterstützung der Fachaufsicht in seinem Bereich einen oder mehrere Archivpfleger im Einvernehmen mit dem zuständigen landeskirchlichen Archiv.
( 2 ) Archivpfleger müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben.
( 3 ) Der Archivpfleger wird vom Superintendenten verpflichtet und erhält hierbei die notwendigen Unterlagen für seinen Dienst.
( 4 ) Werden mehrere Archivpfleger bestellt, so grenzt der Superintendent ihre Zuständigkeiten ab und teilt dies dem zuständigen landeskirchlichen Archiv mit.
( 5 ) Das zuständige landeskirchliche Archiv stellt dem verpflichteten Archivpfleger eine Urkunde aus.
( 6 ) Neu berufene Archivpfleger nehmen zur fachlichen Qualifizierung an einem archivfachlichen Kurs der landeskirchlichen Archive teil.
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§ 10
Rechtsstellung

( 1 ) Die Tätigkeit als Archivpfleger kann ehrenamtlich, haupt- oder nebenberuflich wahrgenommen werden.
( 2 ) Archivpfleger erhalten im Rahmen ihrer Tätigkeit anfallende Auslagen gegen Nachweis erstattet, mindestens jedoch den jährlichen Betrag einer pauschalierten Aufwandsentschädigung gemäß § 3 Nummer 26a Einkommensteuergesetz. Für Dienstreisen besteht gegen den Kirchenkreis ein Anspruch auf Erstattung der Reisekosten gemäß den geltenden Reisekostenbestimmungen.
( 3 ) Archivpfleger unterstehen der Dienstaufsicht des Superintendenten und der Fachaufsicht des zuständigen landeskirchlichen Archivs. Sie haben das Recht auf regelmäßige Berichterstattung im Kreiskirchenrat.
( 4 ) Archivpfleger sind zur Verschwiegenheit verpflichtet in Angelegenheiten, die ihnen in Ausübung ihres Dienstes zur Kenntnis gelangen und die ihrer Natur nach oder auf besondere Anordnung vertraulich sind. Dies gilt auch über die Zeit der Ausübung ihres Dienstes hinaus.
( 5 ) Zur Erhaltung der erforderlichen Fachkunde nehmen sie regelmäßig an Fortbildungsmaßnahmen teil, insbesondere an den landeskirchlichen Archivpflegertreffen.
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§ 11
Aufgaben

( 1 ) Die Tätigkeit des Archivpflegers dient dem Schutz des Archivguts sowie des aktuellen Verwaltungsschriftguts (Registraturgut). Sie beraten die Archivträger in archivfachlichen Angelegenheiten und wachen über die Einhaltung der archivrechtlichen Bestimmungen.
( 2 ) Archivpfleger nehmen unter Anleitung durch das landeskirchliche Archiv folgende Aufgaben wahr:
  1. Sie leiten kirchliche Mitarbeiter ihres Bereichs bei der vollständigen und ordnungsgemäßen Erfassung, Ordnung, Verzeichnung und Unterbringung des Archivguts an.
  2. Sie achten darauf, dass die Archivträger das Archivgut der öffentlichen Benutzung angemessen zur Verfügung stellen.
  3. Sie informieren die Mitarbeitenden der Archivträger in archivfachlichen Angelegenheiten auf Veranstaltungen, beispielsweise dem Pfarrkonvent.
  4. Sie beaufsichtigen die Archivträger bei der Umlagerung von Archivgut und achten darauf, dass kein Archivgut veräußert oder an nichtkirchliche Stellen abgegeben wird.
  5. Sie überprüfen, dass das laufende Schriftgut gemäß Aktenplan abgelegt und in einem Aktenverzeichnis erfasst wird.
  6. Sie wirken auf die regelmäßige Überführung der geschlossenen Altakten in das zuständige Archiv hin.
  7. Sie achten auf eine angemessene und sichere Verwaltung und Behandlung historischer Buchbestände aus der Zeit vor 1850.
( 3 ) Die Archivpfleger informieren das zuständige landeskirchliche Archiv und die zuständigen Stellen des Kirchenkreises über Probleme in ihrem Zuständigkeitsbereich sowie insbesondere über
  1. neu begonnene Ordnungsmaßnahmen,
  2. Missstände und Bauarbeiten an den Archivräumen,
  3. noch zu verfilmende Kirchenbücher,
  4. den Fund fremden Archivguts,
  5. den Verlust, die drohende Veräußerung oder die beabsichtigte Deponierung von Archivgut bei nichtkirchlichen Stellen.
( 4 ) Die Archivpfleger sind berechtigt, im Fall der unmittelbaren Gefährdung von Archivgut die notwendigen Maßnahmen zu seiner Sicherung und Bergung zu ergreifen. Der Archivträger, der Kirchenkreis und das zuständige landeskirchliche Archiv sind unverzüglich über die Gefährdung und die ergriffenen Maßnahmen in Kenntnis zu setzen.
( 5 ) Bei Visitationen und Pfarrstellenübergaben ist der Archivpfleger zu beteiligen. Die Übernahmebescheinigung ist von ihm mitzuzeichnen. Der Archivpfleger und das zuständige landeskirchliche Archiv erhalten je eine Kopie.
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§ 12
Ausscheiden eines Archivpflegers

( 1 ) Die Bestellung zum kirchlichen Archivpfleger endet durch Rücktritt, durch Ablauf der vereinbarten Amtszeit oder durch Abberufung durch den Kirchenkreis.
( 2 ) Der Archivpfleger soll seine Rücktrittsabsicht mindestens drei Monate vorher dem Kirchenkreis und dem zuständigen landeskirchlichen Archiv ankündigen.
( 3 ) Mit dem Ausscheiden ist der Archivpfleger verpflichtet, die dienstlichen Unterlagen vollständig und geordnet zurückzugeben.
( 4 ) Stellt das zuständige landeskirchliche Archiv erhebliche Pflichtverletzungen fest, dann muss der Kreiskirchenrat die Abberufung des betreffenden Archivpflegers beschließen.
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IV. Schlussvorschriften

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§ 13
Inkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.
(2) Gleichzeitig treten die Dienstanweisung für die Archivpfleger der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen vom 22. März 1955 (ABl. S. 49) und die Dienstanweisung für kirchliche Archivpfleger der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 13. Februar 1963 (ABl. S. 26) außer Kraft.
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Anhang
Bauliche Anforderungen an Archivräume

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1.
Werden die in § 6 festgelegten Klimawerte regelmäßig überschritten, besteht akute Schimmelgefahr und die Gefahr von Schädlingsbefall.
2.
Vor dem Lüften von Magazinräumen sind die Außenwerte zu prüfen. Eine Verbesserung der Klimawerte kann durch Lüften nur erreicht werden, wenn die Außentemperatur mindestens 5 Grad Celsius unter der Innentemperatur liegt und die äußere Luftfeuchtigkeit nicht über dem Innenwert liegt.
3.
Bei regelmäßig überhöhten Feuchtigkeitswerten ist ein Entfeuchtungsgerät einzusetzen.
4.
Tageslicht sollte so weit als möglich ausgeschlossen werden. Fenster sind durch Rollläden oder Innenjalousien zu verdunkeln.
5.
Zur Diebstahlsicherung sind Sicherheitsschlösser einzubauen. Bei der Erdgeschosslagerung werden Gitter, die sich gleichzeitig mit dem Fenster öffnen lassen, empfohlen. Die Verwendung von Glastüren ist unzulässig.
6.
Zur Vermeidung von Bränden sind Archivräume mit einer funkensicheren Elektroinstallation und mit Rauchmeldern auszustatten. Wegen etwaiger Folgeschäden sind Feuerlöscher mit reinem Löschwasser zu verwenden. Der Betrieb von Kachelöfen, Heizlüftern, Ventilatoren, Kopiergeräten und anderen Elektrogeräten, von denen eine Brandgefahr ausgehen könnte, ist unzulässig. Feuerhemmende Türen, Decken und Wände werden empfohlen.
7.
Archivräume benötigen glatte Fußbodenmaterialien, die leicht zu reinigen und bei Schimmelbefall auch zu desinfizieren sind. Brennbare und textile Fußbödenbeläge und Vorhänge sind zu entfernen. Für die Wände sollen Kalksandputz und atmungsaktive Farbe verwendet werden.
8.
Bei der Neuanschaffung sind Metallregale mit mind. 40 cm Tiefe zu verwenden.
9.
Die Tragfähigkeit der Decken ist im Vorfeld hinsichtlich der Archivnutzung zu prüfen.
10.
Grundsätzlich ungeeignet für die Aufbewahrung von Archivgut sind insbesondere Räume,
a. in Kellern und auf Dachböden ohne besondere Isolierung,
b. deren Tragfähigkeit für die vorgesehene Menge an Archivgut unzureichend ist,
c. die in der Vergangenheit von Hochwasser betroffen waren,
d. durch die wasserführende Leitungen verlegt wurden.
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