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Vereinbarung zwischen dem Land Sachsen-Anhalt
und den Evangelischen Kirchen im
Land Sachsen-Anhalt zur Regelung der seelsorgerischen
Tätigkeit in den Justizvollzugsanstalten
(Gefängnis-Seelsorge-Vertrag)

Vom 24. März 1994

(ABl. EKKPS S. 95)

Das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch den Ministerpräsidenten, dieser vertreten durch den Minister für Justiz und Bundesangelegenheiten, im Folgenden »das Land« genannt
und
die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen,
vertreten durch die Kirchenleitung,
die Evangelische Landeskirche Anhalts,
vertreten durch den Landeskirchenrat,
die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig,
vertreten durch das Landeskirchenamt,
haben zur Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, Jugendanstalten und Jugendarrestanstalten des Landes Sachsen-Anhalt folgende Vereinbarung geschlossen.
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Artikel 1

  1. Die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, Jugendanstalten und Jugendarrestanstalten bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge.
  2. Die evangelische Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, Jugendanstalten und Jugendarrestanstalten wird durch Pfarrer und andere Mitarbeiter – im Folgenden Gefängnisseelsorger genannt – im Haupt- oder Nebenamt wahrgenommen.
  3. Die Freiheit der Verkündigung und das Beicht- und Seelsorgegeheimnis sind zu wahren.
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Artikel 2

  1. Der Gefängnisseelsorger wird von der zuständigen Kirche im Einvernehmen mit dem Ministerium für Justiz- und Bundesangelegenheiten des Landes berufen.
  2. Der Gefängnisseelsorger steht im Dienst seiner Kirche. Er untersteht entsprechend dem Pfarrerdienstrecht bzw. dem kirchlichen Arbeitsrecht der Dienst- und Disziplinaraufsicht seiner Kirche.
  3. Der Gefängnisseelsorger ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Dienstes die ihn betreffenden Bestimmungen über den Justizvollzug zu beachten.
  4. Der Gefängnisseelsorger arbeitet in seinem Dienst mit den Vollzugsbediensteten eigenverantwortlich zusammen. Er hat das Recht auf Teilnahme an den Dienstbesprechungen und allgemeinen Konferenzen. Er ist bei allen kirchlichen Veranstaltungen berührenden Maßnahmen der Anstaltsleitung vorher zu hören.
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Artikel 3

  1. Zu den Rechten des Gefängnisseelsorgers gehört die Inanspruchnahme aller Einrichtungen und die Veranlassung organisatorischer Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, seine Aufgaben gemäß Artikel 4 zu erfüllen.
  2. Der Gefängnisseelsorger hat Anspruch auf die Bereitstellung von Räumen, die für die Ausübung des Dienstes notwendig sind (gottesdienstliche Räume und Dienstzimmer).
    Die Planung, Gestaltung und Einrichtung von Gottesdiensträumen in einer Justizvollzugsanstalt erfolgt durch das Land im Einvernehmen mit der Kirche.
  3. Der Gefängnisseelsorger kann im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung freiwillige Helfer, unterstützende Gruppen sowie Seelsorger und Seelsorgehelfer für den Dienst in der Einrichtung hinzuziehen.
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Artikel 4

  1. Der Gefängnisseelsorger hat nach Maßgabe seiner Beauftragung im wesentlichen folgende Aufgaben:
    • regelmäßiges Feiern von Gottesdiensten
    • Einzelseelsorge einschl. der Zellenbesuche und Aussprache mit einzelnen Gefangenen
    • Abnahme der Beichte und Spendung der Sakramente
    • Durchführung kirchlicher Kasualhandlungen
    • Angebot von Gruppenarbeit, Kursen und Unterweisungsstunden
    • Beteiligung bei Besuchen und Beteiligung bei Ausführung von Gefangenen in seelsorgerlich begründeten Fällen
    • besondere Krankenseelsorge bei Krankheitsfällen innerhalb der Vollzugsanstalt
    • seelsorgerliche Beratung und seelsorgerlicher Beistand auch für die Angehörigen der Gefangenen in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten
    • Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Gefangenen und ihre Familien
    • beratende Mitwirkung bei der Anschaffung von Büchern für die Gefangenenbücherei und einvernehmliche Mitwirkung bei der Anschaffung und Ausgabe religiöser Bücher und Schriften
    • Bereitschaft zur Seelsorge an Mitarbeitern des Justizvollzuges, unbeschadet der Zuständigkeit des Gemeindepfarrers
    • Mitwirkung bei der Weiterbildung der Mitarbeiter im Justizvollzug
    • Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit zu Themen des Justizvollzugs in Gesellschaft und Kirche.
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Artikel 5

  1. Urlaubs- und Dienstbefreiung der Gefängnisseelsorger richten sich nach dem Pfarrerdienstgesetz bzw. der kirchlichen Arbeitsvertragsordnung.
  2. Der Gefängnisseelsorger ist verpflichtet, seinen Dienst betreffende Weiterbildungen wahrzunehmen. Er hat das Recht, an kirchlichen Veranstaltungen, Kursen und Tagungen, die mit dem Dienst in Verbindung stehen, in angemessenem Umfang ohne Anrechnung auf seinen Erholungsurlaub teilzunehmen.
  3. Die Vertretung bei Abwesenheit und die Urlaubsvertretung regelt der Gefängnisseelsorger nach Abstimmung mit der Kirche im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter.
    Die Krankheitsvertretung regelt die Kirche im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter.
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Artikel 6

  1. Das Land erstattet den Kirchen für die Dauer der Tätigkeit des Gefängnisseelsorgers die von ihnen nach den jeweiligen kirchlichen Bestimmungen aufzubringenden Personalkosten.
    Der Erstattungsbetrag ist monatlich im voraus an die von der Kirche genannte Kasse zu zahlen.
    Das Land erstattet ferner die nach kirchlichen Bestimmungen zu zahlenden Beihilfen, Reisekosten und Umzugskosten und Trennungsgeld sowie notwendige Auslagen aus Anlass einer dienstlichen Vertretung.
  2. Über die nach Maßgabe der kirchlichen Bestimmungen für die Gefängnisseelsorge anfallenden Versorgungsaufwendungen als Teil der Personalkosten wird zwischen dem Land und der zuständigen Kirche jeweils eine gesonderte Vereinbarung geschlossen.
  3. Das Land erstattet den Sachkostenaufwand.
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Artikel 7

  1. Die Kirche ist berechtigt, in Absprache mit der Anstaltsleitung, Visitationen bezüglich der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten, Jugendanstalten und Jugendarrestanstalten durchzuführen.
  2. Im Einvernehmen mit dem Ministerium für Justiz und Bundesangelegenheiten beruft die Kirche mindestens einmal jährlich eine Zusammenkunft der Konferenz der Evangelischen Gefängnisseelsorge in Sachsen-Anhalt mit Vertretern der Kirche und des Ministeriums für Justiz und Bundesangelegenheiten über Fragen der Anstaltsseelsorge und des Jusitzvollzuges ein.
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Artikel 8

  1. Der Gefängnisseelsorger hat das Recht, auf dem kirchlichen Dienstweg Beschwerde bei dem Ministerium für Justiz und Bundesangelegenheiten einzulegen, wenn Konflikte in der Zusammenarbeit mit der Anstaltsleitung auftreten, die nicht anderweitig behoben werden können.
  2. Das Ministerium für Justiz und Bundesangelegenheiten wird Beschwerden der Anstaltsleitung über die Tätigkeit des Gefängnisseelsorgers alsbald an die Kirchen weiterleiten. Die Kirchen bemühen sich, Beschwerden im Gespräch mit dem Gefängnisseelsorger im Beisein eines Vertreters des Ministeriums für Justiz und Bundesangelegenheiten zu klären.
    Das Ergebnis wird in einem Protokoll festgehalten.
  3. Liegen Tatsachen vor, aus denen sich gegen die Person oder die Tätigkeit des Gefängnisseelsorgers schwerwiegende Bedenken gegen seinen weiteren Dienst ergeben und können diese nicht einvernehmlich zwischen Land, zuständiger Kirche und Gefängnisseelsorger ausgeräumt werden, so kann das Land seine Abberufung verlangen. Der betroffene Gefängnisseelsorger hat das Recht, vor einer Entscheidung von der Kirchenleitung und dem Ministerium für Justiz und Bundesangelegenheiten gehört zu werden.
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Artikel 9

Die Vertragschließenden werden sich bemühen, eine etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheit über die Auslegung der Bestimmungen dieser Vereinbarung einvernehmlich beizulegen.
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Artikel 10

Personen- und Funktionsbezeichnungen in diesem Vertrag gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.
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Artikel 11

  1. Diese Vereinbarung tritt am 24. März 1994 in Kraft.
  2. Diese Vereinbarung gilt zunächst für die Dauer von 5 Jahren; sie verlängert sich stillschweigend jeweils um weitere 5 Jahre, wenn sie nicht 12 Monate vor Ablauf der Frist gekündigt wird.